Prof. Dr. Elisabeth Stark, Prorektorin Forschung im Interview (Bild: Frank Brüderli)

«Universitäre Forschung ist wie Olympiade»

Wie hält sich die Universität Zürich für Nachwuchsforschende attraktiv und wie werden Forschungsprojekte priorisiert? Erfahren Sie im Interview mit Elisabeth Stark, was die UZH zu einer einzigartigen Forschungsstätte macht.

Elisabeth Stark startete ihre erfolgreiche akademische Karriere in Deutschland und wurde von einem Lehrstuhl an der Freien Universität Berlin im Jahr 2008 als Professorin für Romanische Sprachwissenschaft an die Universität Zürich (UZH) berufen. 2021 übernahm sie die Leitung des Prorektorats Forschung und verantwortet seither die Forschungs-, Innovations- und Nachwuchsförderung. Erfahren Sie im Interview, was die UZH zu einer einzigartigen Forschungsstätte macht.


Interview: David Iselin

Welchen Stellenwert hat Forschung an der UZH?

Forschung nimmt bei der UZH einen sehr hohen Stellenwert ein. In unserem Leitbild steht: Die UZH versteht sich als Forschungsuniversität. Sie ermöglicht, fördert und erwartet die Forschungstätigkeit ihrer Angehörigen. Zudem sind wir Mitglied bei LERU (League of European Research Universities). Forschung, Nachwuchsförderung und Innovation sind Schlüsselaufgaben der UZH, übrigens auch die forschungsbasierte Lehre nach dem humboldtschen Ideal.


Welches sind die Stärken der UZH im internationalen Kontext?

Die UZH ist mit ihrer Forschung sehr sichtbar. Führend sind wir beispielsweise in der Präzisionsonkologie, der psychologischen Forschung zu gesundem Altern, der Strukturbiologie, in Fernerkundung, Astro- und Teilchenphysik, der Linguistik und Verhaltensökonomie. Zudem ist unsere veterinärmedizinische Fakultät, die Vetsuisse, weltweit auf Rang 4 gerankt, was mich besonders freut und stolz macht.


Wie hält sich die UZH für Nachwuchsforschende attraktiv?

An der UZH haben wir namhafte Forschende, die eine grosse Anziehungskraft ausüben und Talente an die UZH bringen. Zudem haben wir seit Anfang 2024 neue verbesserte Rahmenbedingungen für Doktorierende geschaffen, denen wir mehr «Protected Research Time», also Zeit, die explizit und exklusiv für die eigene Forschung eingesetzt werden kann, garantieren. Darüber hinaus kann man seit 2023 an der UZH die eigene akademische Karriere etwas besser planen. Mit dem «Lecturer Modell» beispielsweise, das eine attraktive unbefristete Forschungsstelle unterhalb der Professur darstellt, erhalten promovierte Forschende eine höhere Entlöhnung, was auch mit der persönlichen Lebens- oder Familienplanung besser zu vereinbaren ist. Dies wird am Standort Zürich, mit den vergleichs-weise hohen Lebenskosten, sehr geschätzt.


Welche Forschungstrends werden künftig an der UZH näher verfolgt?

In den nächsten Jahren wird aufgrund der demografischen Entwicklung die Altersmedizin eine immer
wichtigere Rolle einnehmen. Getrieben durch technologische Errungenschaften wird die Präzisions-
medizin weiter an Fahrt aufnehmen. Nachhaltigkeit ist ebenfalls nicht mehr wegzudenken, insbesondere die Biodiversität, die die Qualität unserer Lebensräume prägt. Die Relevanz der Sprache als wichtigste evolutionäre Neuerung der Spezies Mensch und die Bedeutung ihrer Erforschung werden ebenfalls zunehmen, desgleichen die Digitalisierung, die in unserem Alltag bereits omnipräsent ist.


Forschung ist ressourcenintensiv. Wie setzen Sie Prioritäten?

Die Priorisierung der konkreten Forschungsprojekte und -themen wird in Diskussion mit der Universitätsleitung festgelegt, oftmals auf der Basis externer Gutachten. Die Fakultäten entwickeln eigene Strategien, die dann in mehreren Gesprächen mit der Universitätsleitung so weit wie möglich abgestimmt werden. Es gilt allgemein: Forschung ist kompetitiv, universitäre Forschung ist kein Breitensport, sondern Olympiade. Förderung von Spitzenleistungen verlangt Schwerpunktsetzung; gleichzeitig behalten wir jedoch immer unseren Leistungsauftrag im Blick.


Forschende sind auf Fördermittel angewiesen. Wie können sie ihre Forschung finanzieren?

Es gibt sowohl interne als auch externe öffentliche Finanzierungsmöglichkeiten sowie private Drittmittel, die über die UZH Foundation eingeworben werden. Es steht jedem Forschenden offen, die passenden Finanzierungsquellen anzugehen. Beratend unterstützt dabei das Grants Office der Abteilung Forschungsförderung meines Prorektorats. Es gibt Forschende mit besonders kostenintensiver Forschung, die sich dankbar auf alle drei Förderquellen stützen können.


Welchen Stellenwert messen Sie privaten Drittmitteln bei?

Die Rolle von privaten Mitteln für die Forschungsförderung nimmt stetig an Bedeutung zu. Dabei ist die Arbeit der UZH Foundation als Stiftung der Universität Zürich zentral – denn sie schliesst dank Spenden wichtige Lücken in der Finanzierung von Forschungsprojekten. Diese Lücken sind teilweise systematisch bedingt; beispielsweise stehen teure Infrastrukturen derzeit unter einem besonderen Druck, obwohl sie die Voraussetzung für die Spitzenforschung und auch die medizinische Versorgung von morgen darstellen. Teilweise gibt es aber auch besondere Themen, die den Stiftern am Herzen liegen und die bei öffentlichen Fördergefässen weniger Chancen hätten. Die UZH Foundation stellt ein ideales Matching zwischen Forschenden und engagierten Personen, Stiftungen und Unternehmen her. Sie bringt die Personen zusammen, die etwas bewegen und bewirken wollen.


Welche Herausforderungen sehen Sie in Bezug auf die Nachwuchsförderung?

Die Konkurrenz durch die Privatwirtschaft ist gross. Forschende in den Bereichen Künstliche Intelli-
genz und Large Language Models beispielsweise sind auf dem Job-Markt sehr begehrt. Als weitere
Herausforderung sehe ich die Post-Doc-Phase. Denn bei diesen befristeten Anstellungen, oft in der
Familiengründungsphase, besteht eine grosse perspektivische Unsicherheit, so dass sich einige Talente für den sichereren Hafen ausserhalb der Akademie entscheiden – gerade auch weibliche Nachwuchstalente. Die UZH ist und bleibt dennoch sehr attraktiv. Man erlebt hier eine grosse Wertschätzung und kann eigene Forschungsideen zum Fliegen bringen. Damit haben es einige unserer Forschenden sehr weit gebracht (Anm. d. Red.: siehe Box «Spannende Köpfe»).


Was raten Sie einem hoffnungsvollen Forschungstalent?

Man muss dranbleiben, sich durchbeissen – und auf keinen Fall aufgeben! Der Aufwand lohnt sich,
denn man darf den schönsten Beruf ausüben, den es gibt. Als Forschende an einer Universität geniesst man Freiheiten, die in anderen Berufssparten höchst selten anzutreffen sind. Es ist sinnstiftende Arbeit, weil man mit Forschung vieles bewegen und das Leben zahlreicher Menschen positiv beeinflussen kann.

Frau Professorin Stark, herzlichen Dank für das Gespräch!

Spannende Köpfe

An der UZH wird Vielfalt und Diversität gelebt. Stellvertretend für die zahlreichen herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hat uns Elisabeth Stark von jeder Fakultät eine Forschende oder einen Forschenden mit dem jeweiligen Forschungsthema herausgepickt.

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