Die Sprache ist ein Markenzeichen der menschlichen Spezies. Kein anderes Lebewesen kommuniziert auf so komplexe und vielfältige Weise wie wir. Woher unser Sprachvermögen kommt, weiss man aber bis heute nicht genau.
Eines der wichtigsten Merkmale unserer Sprache ist die Wort- und Phrasenbildung. Die Fähigkeit, akustische Einheiten zu theoretisch unendlich vielen Wörtern und Sätzen zu kombinieren, hebt uns von anderen Lebewesen ab. Um dem Ursprung dieser Kombinatorik auf den Grund zu gehen, werden mittels vergleichender Ansätze analoge Fähigkeiten bei Tieren untersucht. Forschungsergebnisse belegen, dass es bei Tieren ebenfalls Strukturierungen und Verbindungen von bedeutungstragenden Lauteinheiten gibt, ähnlich wie Wortbildungen. Auch Hinweise auf Satz-ähnliche Anordnungen (Syntax) wurden bereits entdeckt, allerdings bislang nur sehr rudimentäre Muster.
Forschung zu Syntax bei Tieren
Mit seinem Projekt will Silvan Spiess, Doktorand am Institut für Vergleichende Sprachwissenschaft der Universität Zürich, komplexere Strukturen Syntax-ähnlicher Lautkombinationen bei Tieren erforschen. Dazu untersucht er den australischen Rotscheitelsäbler, ein äusserst kommunikativer Vogel mit 18 unterschiedlichen Rufen. Einer davon steht im Fokus der Untersuchung: der Kontaktruf eines brütenden Weibchens (Maternal Contact Call). Es wird angenommen, dass der Ruf das Hungerlevel des Weibchens und des Kükens signalisiert und damit Helfer für die Futterversorgung rekrutiert. Beobachtungen haben bereits gezeigt, dass dieser Ruf aus einem Kernsegment besteht und mit anderen Ruf-Elementen aus dem Repertoire kombiniert wird. Daraus ergibt sich eine grosse strukturelle Variation des Kontaktrufes. Mit der Erforschung dieses Rufes will Silvan Spiess herausfinden, ob eine syntaktische Organisation identifizierbar ist und sich daraus Erkenntnisse des evolutionären Prozesses der menschlichen Sprache ableiten lassen.
Forschung zur Sprachevolution hat sich in der Vergangenheit insbesondere auf unsere direkten Vorfahren, den Primaten, fokussiert. Neuere Forschung zeigt allerdings, dass auch andere Tiergruppen wie Vögel in der Lage sein können, Lauteinheiten in einer Syntax-ähnlichen Struktur anzuordnen. Um die Umstände und Faktoren besser zu verstehen, die zu solchen kombinatorischen Fähigkeiten führen, macht es Sinn, auch Tierarten zu untersuchen, die nicht direkt mit dem Menschen verwandt sind.
Die Sprache hat uns zu Kultur und Zivilisation verholfen. Zu verstehen, woher unsere Sprache kommt, bedeutet auch, ein besseres Bewusstsein unserer selbst und unserer Gesellschaft zu erhalten.
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